Sinclair - Radar der Psyche Kommentar

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Zum Inhalt muss ich sagen, dass ich gegen mich selbst einen Dogmatismus-Vorwurf vorbringen müsste, wenn ich die beschriebenen Phänomenen/Vorkommnisse ohne Zweifel als Humbug oder (Selbst-)Täuschung der beteiligten Personen abweisen würde. Dies einerseits aus zwei prinzipiellen Überlegungen, und andererseits aus einer konkreten Einsicht aus meinen eigenen, bisherigen Erfahrungen im Wissenschaftsbetrieb.

Zuerst zu den prinzipiellen:

  • Ein Blick zurück zeigt, und das Argument wird auch im Buch zu Beginn gemacht, dass vieles, was heute selbstverständlich und gut erklärbar erscheint (Radio, Fernsehen) noch wenige Jahre zuvor als Phantasterei, Humbug, Unmöglichkeit abgetan worden wäre. Gleichzeitig es auch immer Phänomene gegeben hat und immer noch gibt, die offensichtlichst beobachtbar waren oder sind, aber immer noch einer wissenschaftliche fundierten, bewährten Erklärung harren.
  • Wenn es neben Forderung nach (Selbst-)Zweifel und (intersubjektiver) Kritik noch eine zweite große Lektion gibt, die ich mit Sokrates wie Popper als Imperative redlicher Erkenntnis(theorie) verbinde, dann ist das jene der wissenschaftlichen Demut ("Ich weiß, dass ich nichts weiß."). Und ebendiese Demut in Erkenntnisfragen bedeutet im Hinblick auf die geschilderten Phänomene - insbesondere angesichts ihrer durchaus überzeugenden Schilderung - sie nicht so ohne weiteres kategorisch als Blödsinn/Lüge/Täuschung abzutun.

Zum konkreten:

  • Was Sinclair und seine Frau da machen, fällt für mich unter qualitative Forschung, quasi qualitative Experimente. Das wird besonders dann deutlich, wenn mittels "ad-hoc"-Hypothesen/qualitativem Zusatzwissen auf den dersten Blick wenig übereinstimmende Ergebnisse "erklärt" werden. Im Rahmen eines "klassischen" Experiment- oder Survey-Design ist ein derartiges, komplexes Vorgehen und Erklärungsverhalten undenkbar, ja gefährlich, kommt deren Erklärungswert doch gerade von strikter und möglichst perfekter Kontrolle der Randbedingungen, linearem Vorgehen, Zufalls-/Stichprobenauswahl etc.. Was aber, wenn es Phänomene gibt, die mit einem derartigen methodischen Vorgehen überhaupt nicht oder nur sehr, sehr schwer untersuchbar sind? Und ich bin überzeugt davon, dass es derartige Bereiche der Realität gibt, die einem solcherart eingeschränkten Mess- und Methodenapparat nicht zugänglich sind oder sogar sein können, sehr wahrscheinlich auch in den Naturwissenschaften. Insbesondere in den Sozialwissenschaften, gibt eine Unmenge derartiger Bereiche, die aber von größter Bedeutung und wichtig sind. (Anmerkung: mE fällt darunter auch in weiten Teilen die Nationalökonomie, die in ihrer ahistorisch-neoklassischen Form mehr von einer Pseudowissenschaft hat, als manches, das als solche bezeichnet wird, vgl. dazu auch das Buch von Hans Albert "Marktsoziologie und Entscheidungslogik"). Bei den im Buch beschriebenen Phänomenen könnte es sich um derartige Phänomene handeln, dies umso mehr, also die menschliche Psyche ohnedies nur sehr begrenzt dem klassisch-wissenschaftlichen Methodenrepertoire zugänglich ist. Die breite, prinzipielle Front gegen Psychoanalyse und -therapie, die ja von vielen bis heute ebenfalls als "Pseudowissenschaft" bezeichnet wird, hat mE ihren Ursprung auch zu großen Teilen darin, dass ihre Vorgehensweisen nicht mit dem etablierten Methodenapparat untersucht werden können. Wobei bei alledem natürlich immer noch eine Theorie fehlt, die die im Buch geschilderten Phänomene erklären könnte. Das Fehlen dieser (oder einer überzeugenden) Theorie kann aber natürlich nicht ausreichen, das Phänomen selbst in Abrede zu stellen.

Mein erstes Fazit nach der bisherigen Lektüre ist somit, dass ich keine besonders großen Probleme habe, das Buch in meinem - wie ich meine, immer noch eher rationalistisch geprägten - Weltbild "unterzubringen". Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, dass es rational ist, zu attestieren, dass es alleine durch unsere Physiognomie, unsere beschränkte Wahrnehmung, die notwendige Unvollkommenheit und Fallibilität jeglicher Erkenntis, immer Phänomene/Bereiche geben wird, ja wahrscheinlich sogar muss, die sich einer rationalen Erklärung verschließen, manche vielleicht sogar prinzipiell.

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