Schumpeter - Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie Exzerpt
Aus Leowiki
Schumpeter, J.A. (1942/1972): Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. München: Francke.
„Kann der Kapitalismus weiterleben? Nein, meines Erachtens nicht.“ (S. 105)
„Die Technik und Atmosphäre des Kampfes um die Sozialgesetze verdunkelt den sonst klaren Sachverhalt, daß einerseits diese Gesetzgebung zum Teil frühere kapitalistische Erfolge voraussetzt (mit andern Worten: einen Wohlstand, der zuvor durch die kapitalistische Unternehmung geschaffen werden mußte) und daß andrerseits viel von dem, was die Sozialgesetzgebung ausbaut und verallgemeinert, zuvor durch die Aktion der kapitalistischen Schicht selbst eingeführt worden war. Beide Tatsachen müssen natürlich zur Gesamtsumme der kapitalistischen Leistung hinzugerechnet werden.“ (S. 116)
„Der Kapitalismus ist also von Nautr aus eine Form oder Methode der ökonomischen Veränderung und ist nicht nur nie stationär, sondern kann es auch nie sein.“ (S. 136)
„Die Eröffnung neuer, fremder oder einheimischer Märkte und die organisatorische Entwicklung vom Handwerksbetrieb und der Fabrik zu solchen Konzernen wi dem U.S.-Steel illustrieren den gleichen Prozeß einer industriellen Mutation – wenn ich diesen biologischen Ausdruck verwenden darf -, der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft. Dieser Prozeß der ‚schöpferischen Zerstörung“ ist das für den Kapitalismus wesentliche Faktum.“ (S. 137-138; Herv. i. Orig.)
„Ein System – jedes System, nicht nur jedes Wirtschaftssystem, sondern auch jedes andere -, das zu jedem gegebenen Zeitpunkt seine Möglichkeiten möglichst vorteilhaft voll ausnützt, kann dennoch auf lange Sicht hinaus einem System unterlegen sein, das dies zu keinem Zeitpunkt tut, weil diese seine Unterlassung eine Bedingung für das Niveau oder das Tempo der langfristigen Leistung sein kann.“ (S. 138; Herv. i. Orig.)
„Mit anderen Worten: gewöhnlich wird nur das Problem betrachtet, wie der Kapitalismus mit bestehenden Strukturen umgeht, während das relevante Problem darin besteht, wie er sie schafft und zerstört.“ (S. 139)
„Das erste was weichen muß, ist der überlieferte Begriff des modus operandi der Konkurrenz. Die Ökonomen entwachsen nun endlich dem Stadium, wo sie nur Preiskonkurrenz sahen und nichts sonst. […] In der kapitalistischen wirtschaft jedoch, im Unterschied zu ihrem Bild in den Lehrbüchern, zählt nicht diese Art von Konkurrenz, sondern die Konkurrenz der neuen Ware, der neuen Technik, der neuen Versorgungsquelle, des neuen Organisationstyps (zum Beispiel der größtdimensionierten Unternehmungseinheit) – jene Konkurrenz, die über einen entscheidenden Kosten- oder Qualitätsvorteil gebietet und die bestehenden Firmen nicht an den Profit- und Produktionsgrenzen, sondern in ihren Grundlagen, ihrem eigentlichen Lebensmark trifft.“ (S. 139-140; Herv. i. Orig.)
„Es ist kaum nötig zu erwähnen, daß die Konkurrenz von der Art, wie wir sie nun im Sinne haben, nicht nur wirkt, wenn sie tatsächlich vorhanden, sondern auch wenn sie nur eine allgegenwärtige Drohung ist.“ (140)
„Schließlich: es hat ja gewiß keinen Sin, daß man eine veraltete Industrie auf unbestimmte Zeit hinaus zu erhalten sucht; es hat jedoch einen Sinn, daß man ihren plötzlichen Zusammenbruch zu vermeiden und eine wilde Flucht, die zum Ausgangspunkt kumulativer, depressiver Wirkungen werden kann, in einen geordneten Rückzug zu verwandeln sucht.“ (S. 148)
„Ganz abgesehen davon ist indessen das Argument darum ohne Beweiskraft, weil es wiederum durch eine ceteris paribus Klausel hinfällig wird, die bei der Behandlung unseres Prozesses der schöpferischen Zerstörung unzulässig ist. Aus der Tatsache, sofern es eine Tatsache ist, daß bei elastischeren Preisen größere Mengen ceteris paribus verkauft werden könnten, folgt nicht, daß entweder die Produktion der fraglichen Waren oder die Gesamtproduktion und folglich die Beschäftigung tatsächlich größer wäre.“ (S. 156; Herv. i. Orig.)
„Der ganze kapitalistische Proezeß besteht wie jeder andere wirtschaftliche Entwicklungsprozeß in nichts anderem als in der Ausnützung solcher Möglichkeiten, wie sie gerade am Horizont des Geschäftsmannes auftauchen, und es hat keinen Sinn zu versuchen, die eine hier diskutierte Möglichkeit auszusondern, um aus ihr einen externen Faktor zu machen.“ (S. 180)
„Bedürfnis und effektive Nachfrage sind nicht das gleiche. Wären sie es, so wären die ärmsten Nationen diejenigen, die die kräftigste Nachfrage entfalten. In Wirklichkeit können Einkommensteile, die durch den Geburtenrückgang freigesetzt werden, in andere Kanäle geleitet werden, und sie werden besonders leicht in allen jenen Fällen derart abgeleitet, in denen der Wunsch, die Nachfrage nach andern Gütern auszudehnen, das eigentliche Motiv der Kinderlosigkeit ist.“ (S. 186-187)
„Ebenso waren […] die Unternehmenerchancen, wie sie die neu der Ausbeutung erschlossenen Länder boten, sicher einmalig, aber nur in dem Sinn, in dem es alle Chancen sind. […] Die Eroberung der Luft kann sehr wohl wichtiger sein, als es die Eroberung von Indien war – wir dürfen geographische Grenzen nicht mit wirtschaftlichen verwechseln.“ (S. 191)
„Für Marx und die meisten seiner Folger bedeutete der Sozialismus eine ganz bestimmte Sache, - dies war und ist einer der bedenklichsten Unzulänglichkeiten ihrer Lehre.“ (S. 262)