Die zahlreichen Leben der Seele Kommentar
Aus Leowiki
Allgemeines: Mir erscheint das alles viel zu eindeutig, viel zu präzise, viel zu „logisch“ und „rational“, um glaubhaft zu sein. Diese Präzision finden wir sonst in keinem Bereich unseres Lebens, aber gerade in einem derartigen sollte er vorherrschen? Das lässt meine Skepsis eher noch wachsen. Hinzu kommt nichts, was meine allgemeine Skepsis gegenüber der anti-evolutionäre Tendenz derartiger Ansätze verringert: Warum werden die Leute nicht in vorzivilisatorischer Zeit wiedergeboren? Wie ist das noch mal mit dem Übergang vom Affen zur Menschheit. In diesem Zusammenhang erscheinen mir insbesondere folgende zwei Bücher als aufschlussreich: Reichholf, Josef: Warum die Menschen sesshaft wurden sowie Dewey, John: Human Nature and Conduct.
- „Schuld“ (S. 177 ff.) und Eigenschaften als Aufgaben: Das Abtragen einer Schuld erinnert mich nicht nur an die Erbsünde, sondern im Zusammenhang mit menschlichen Eigenschaften wie „Gier“ etc. erscheint es mir völlig unglaubwürdig: es gibt viel einfachere, plausiblere Erklärungen für unterschiedliche Eigenschaften von Menschen, nämlich die evolutionäre Entwicklung aus der Gattungs- und individuellen Lebensgeschichte heraus, im Sinne von selbstorganisierenden Feedack-Prozessen. Hier die „Schuld“ früherer Leben oder andere externe Ursachen einzuführen erscheint mir nicht nur überflüssig, sondern auch völlig unplausibel. Denn es ist wohl völlig klar, dass und wie Vorlieben und Eigenschaften durch Interaktion - handeln, leben – entstehen und sich ausdifferenzieren. Warum sollte es über diese Mechanismen hinaus noch weitere, eigenschaftsbestimmende Einflüsse geben? Und dann noch dazu irgendeine „Schuld“?
- „Natur“ (S. 212): den romantisch-verklärende Blick auf die ach so schöne Ausgewogenheit und Harmonie „der Natur“ finde ich besonders bedenklich und in seiner Darstellung ja fast schon kindlich-naiv. „Die“ Natur ist ein komplexes, selbstorganisierende-evolutionäres System mit unzähligen Teilbereichen, die teilweise stabile, teilweise stark schwankende, kybernetische Kreisläufe umfasst, in deren Verlauf ständig neue Arten entstehen, Arten ausgelöscht werden usw. usf., das alles nach einem Prinzip des survival of the fit, das sich in hohem Maße als zufallsgetriebener „trial & error“-prozess beschreiben lässt. Diese zu idealisieren, ist das eine, scheinbar schlechte menschliche Eigenschaften („Menschen sind übergewichtig, weil sie zuviel essen. Sie trinken zu viel, rauchen zu viel, ..“) dann aber in einen Gegensatz zu der harmonischen Natur zu bringen, lässt mir die Haare zu Berge stehen: Gerade stärkere Neigung Übergewicht ist eine Folge fehlender physiologischer Anpassung unseres Körpers auf die veränderten Umstände einer Überflussgesellschaft. Das ist für mich Holzschnittartiges Moralisieren nach dem Motto: Was ich gut finde = natürlich, was ich schlecht finde = menschlich.
Ich weiß nicht ob ich zu hart mit dem Buch ins Gericht gehe, vielleicht würde ich anders urteilen, hätte ich selbst vergleichbare Erlebnisse gehabt. Und ich kann seine Schilderung und Rationalisierung natürlich nicht widerlegen bzw. keine einfache und allumfassende Alternativerklärung vorlegen. Das ist aber nur bedingt eine "Schwäche" meiner Position: es ist gerade die all-zu-kohärent-logische-Struktur der Rationaliserung von Weiss, die zu einem guten Teil meine Skepsis nährt.
An einzelnen Detailpunkten erscheinen mir Alternativerklärungen aber offensichtlich:
- das wiederholte Vorkommen bekannter Menschen/Gesichter in anderen Rollen lässt sich viel eher damit erklären, dass wir in Träumen/Phantasien aus unserem Erfahrungsschatz schöpfen, dafür muss ich nicht die These aufstellen, dass Seelen in Gruppen wiedergeboren werden.
- Der Detailgrad der Schilderungen: Der menschliche Verstand ist äußerst gut im Stopfen von Löchern in der Wahrnehmung und Rationalisieren von Erlebnissen/Erinnerungen/Wahrnehmungen. Und alle Orte, an denen die vermeintlichen Reinkarnationen stattgefunden haben, sind von normalem High-School-Wissen und etwas Phantasie gedeckt.
- dass sich die Probandin in Hypnose anders, ja teilweise gegenteilig zu ihrem bewussten Ich verhält, z.B. "philosphischer" wirkt, muss nicht bedeuten, dass sie ein Medium ist und Geistwesen durch sie sprechen, sondern mir erscheint viel plausibler, dass unter der Hypnose bestimmte Barrieren und Schranken wegfallen, die derartige Teile ihrer Persönlichkeit normalerweise unterdrücken.